BGH: Schriftformklausel im Gewerbemietvertrag

  1. Eine formularmäßige Klausel, wonach Änderungen und Ergänzungen des (Gewerbe-)Mietvertrages generell der Schriftform bedürfen, verstößt gegen den Grundsatz des Vorrangs der Individualvereinbarungen und ist daher unwirksam (Bestätigung BGH VIII ZR 93/94 in NJW 1995, 1488).
  2. Jedoch haben nachträgliche mündliche Individualvereinbarungen auch Vorrang vor Schriftformklauseln in Formularverträgen über langfristige Geschäftsraummietverhältnisse.

BGH, Versäumnisurteil vom 21.09.2005 – XII ZR 312/02 -in GE 2005, 1546 und NJW 2006, 138

Sachverhalt: Mieter und Vermieter von Gewerberaum hatten eine Schriftformklausel formularmäßig vereinbart: „Nachträgliche Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages gelten nur bei schriftlicher Vereinbarung.“

Der beklagte Mieter des Ausgangsverfahrens zahlte lediglich eine reduzierte Miete mit der Begründung, die Parteien hätten sich nachträglich auf eine geringere Miete mündlich geeinigt. Die Vorinstanzen verurteilten den Beklagten zur Zahlung. Denn die Schriftformklausel im Mietvertrag sei nicht beachtet worden, weshalb die mündliche Zusatzvereinbarung in jedem Falle unwirksam sei. Die Revision des beklagten Mieters hatte Erfolg.

Problemlage: Die in vielen Gewerbemietverträgen anzutreffende formularmäßige Regelung, wonach Änderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen, verstößt regelmäßig gegen das gesetzliche Leitbild und ist daher unwirksam gemäß § 307 BGB. Dies ist zwar wenig bekannt, jedoch durch den BGH bereits mehrfach entschieden worden1. Hier handelt es sich um die so genannte „gewillkürte Schriftform“, bei der es für ein Schriftformerfordernis keinerlei Anknüpfungspunkte in Form von gesetzlichen Formvorschriften gibt. Dies stellt der BGH nur am Rande klar. Unstreitig handelte es sich im zu entscheidenden Ausgangsfall um eine Mietzinsänderung, also um eine Änderung der wesentlichen Vertragsbestandteile. Da ein Mietverhältnis für mehr als ein Jahr geschlossen worden war, bestand hier gesetzliche Schriftform § 550 BGB.

Ob in derartigen Fällen eine Formularklausel, die mündliche Zusatzvereinbarungen für unwirksam erklärt, zulässig ist, war bisher nicht höchstrichterlich entschieden.

Das muss auch nicht entschieden werden, meint der BGH: Denn individuelle (nachträgliche, auch mündliche -) Vereinbarungen haben ohnehin immer Vorrang vor allgemeinen Geschäftsbedingungen § 305 b BGB. Selbst wenn also hier die Schriftformklausel wirksam gewesen wäre, wäre doch die individuelle und nachträglich mündlich erfolgte Vereinbarung eines geringeren Mietzinses demgegenüber als Individualabrede vorgehend.

Von daher musste eine Beweisaufnahme über die behaupteten mündlichen Absprachen stattfinden. Dazu wurde der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.

1BGH Urteil vom 15.02.1995 – VIII ZR 93/94 – in NJW 1995, 1488

Bewertung: Eine Schriftformklausel schützt nicht vor mündlichen Zusatzvereinbarungen! Durch Nachtragsvereinbarungen, die nicht schriftlich bestätigt werden, kann nicht nur die gesetzliche Schriftform ausgehebelt werden. Vielmehr wird der Vermieter auch durch eine allgemeine Schriftformklausel nicht davor geschützt, dass der Mieter nachträglich mündliche Individualabreden behauptet.

Diese Rechtsprechung erscheint bei einem auf langfristige Rechtssicherheit angelegten Gewerbemietvertrag auch vor dem Hintergrund der gesetzlichen Formvorschriften § 550 BGB etwas lebensfremd. Tatsächlich dürfte es sich hier nicht um eine Individualvereinbarung, sondern um den formunwirksamen Versuch handeln, einen schriftlichen Mietvertrag nachträglich in seinen wesentlichen Bestandteilen abzuändern.

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Ein Gedanke zu „BGH: Schriftformklausel im Gewerbemietvertrag“

  1. Es ist durchaus üblich, dass Vermieter Individualvereinbarungen bezüglich eines geringeren Mietzinzes, mit ihrem Mieter treffen, weil sie aus eigenem Interesse bei Unternehmensproblemen den Mieter entgegenkommen.
    Es ist durchaus gut und wichtig für Gewerbetreibende, dass die Gerichte solche Individualvereinbarungen stützen, weil eher die Gefahr gegenständlich ist, dass sich Vermieter irgendwann einmal über ihr Entgegenkommen ärgern und sich plötzlich nicht mehr gebunden sehen wollen.
    Tatsächlich muss ein Vermieter angesichts seiner „Machtposition“ kaum geschützt werden, weil er eben sehr wohl mahnen würde, wenn einseitige Mietkürzungen durch den Mieter erfolgen…und sicherlich auch seine Möglichkeiten ausreichend kennt, um gegen unabgesprochene Mietkürzungen vorzugehen.
    Die Dreistheit vieler Vermieter kann so zumindest unterbunden werden.

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