Vorteile der „Berliner Räumung“

Gestern habe ich wieder einmal an einem Räumungstermin teilgenommen, um vor Ort auftretende Probleme mit den Räumungsschuldnern schnell klären zu können. Durchgeführt wurde auf ausdrücklichen Wunsch der Mandantin eine „normale“ Räumung mit Abtransport und Einlagerung durch den GVZ, was zunächst 12.000 € Räumungskostenvorschuss auslöste und dann dazu führte, dass die Mieter der Wohnung (zum Zeitpunkt der Räumung bereits drei Monatsmieten Rückstand) die große und teure Einbauküche durch den von der GVZin beauftragten Spediteur sogar abgebaut und an ihre neue Wohnung angeliefert bekommen. Bezahlt vom Vorschuss des Vermieters.

Dies war für mich noch einmal Anlass, über die Vorteile der Berliner Räumung nachzudenken und das aufzuschreiben:

Meines Erachtens sind die Risiken einer fachgerecht mit Einhaltung der 1-Monatsfrist durchgeführten Berliner Räumung gemäß § 885a ZPO vernachlässigbar und haftpflichtversichert einerseits und andererseits die wirtschaftlichen Schäden einer Räumung mit Abtransport unwirtschaftlich hoch. Auch ergeben sich bei einer „nach Plan“ durchgeführten Berliner Räumung oft Chancen für den Gläubiger, die durch einen kostenpflichtigen Abtransport eher unterlaufen werden, zum Beispiel:

  1. Nutzungsentschädigung bis zum Ablauf der Monatsfrist – also Zeit für notwendige Beauftragungen und Nachmietersuche,
  2. auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkte Haftung bei Beachtung der Monatsfrist gem. § 885a ZPO.
  3. Vermieterpfandrecht als Druckmittel für weitere Zahlungen des Schuldners auf Rückstände (zum Beispiel die große teure Einbauküche),
  4. in den meisten Fällen freiwilliger Abtransport des Hausrats durch Mieter (wenn gewünscht)
  5. Möglichkeit einer gütlichen Regelung mit dem Schuldner (weiterer Abtransport innerhalb der Monatsfrist, danach Verzicht des Schuldners auf weitere Entnahmen durch einfache schriftliche Vereinbarung)
  6. Möglichkeit der kostengünstigen Entsorgung von verbliebenem Sperrmüll durch eigenes Personal (Hausmeister) oder zuverlässige, ausgewählte und meist kostengünstige Vertragsfirmen.

Denn meist sehen Wohnungen nach Besitzeinweisung durch den GVZ so aus wie in diesem Fall aus Neukölln, wo die Mieterin vor dem Räumungstermin zwei Tage lang ihren Hausrat aus der Wohnung geschafft und nur noch Müll zurückgelassen hatte (was der GVZ in diesem Fall sogar im Räumungsprotokoll bescheinigte).

Tipp: Der „Druckvergleich“ (und seine Probleme)

RA Ziemann
Der Rat vom Immoadvo

Oft will man in einem gerichtlichen Vergleich den Mieter zwingen, sich gut zu verhalten und gleichzeitig einen Räumungstitel bekommen für den Fall, dass der Mieter sich nicht an seine Zusagen hält. Mietrechtlich gesehen schwierig, aber nicht unlösbar!

Jeder Vermieter kennt das Problem: Der Mieter hat erheblich gegen den Mietvertrag verstoßen zum Beispiel durch unregelmäßige Mietzahlungen oder Mietrückstände. Vielleicht hat der Mieter auch durch häufige nächtliche Ruhestörungen oder sogar Polizeieinsätze den Hausfrieden gestört. Abgemahnt worden ist der Mieter natürlich auch schon, die Kündigung ist erfolgt und der folgende Prozess ist langwierig und kann zu Risiken insbesondere auch durch eine notwendige Beweisaufnahme führen. Gleichzeitig beteuert der Mieter natürlich, dass dies „das letzte Mal“ war.

In solchen Fällen kann man einen sogenannten Druckvergleich abschließen. Der Mieter soll Wohlverhalten zeigen über einen längeren Zeitraum und danach kann das Mietverhältnis eventuell sogar fortgesetzt werden. Das ist in vielen Fällen für den Vermieter wirtschaftlicher als ein langwieriges und riskantes Räumungsklageverfahren, bei dem die Verfahrenskosten vielfach ohnehin nicht vollstreckbar sind. Der Mieter andererseits bekommt eine zweite Chance und kann (wenn er sein Verhalten ändert oder zum Beispiel seine Probleme mit dem Jobcenter klärt), weiter Mieter bleiben.

Das Problem in solchen Fällen liegt in der technischen Gestaltung des Vergleichs. Der Vermieter will natürlich die Chance haben, aus dem Vergleich unmittelbar die Zwangsvollstreckung einzuleiten, wenn der Mieter weitere Vertragsverletzungen begeht und seine zweite Chance nicht nutzt. Der Mieter andererseits will sicher sein, dass er die Wohnung auch behalten kann, wenn er sich nichts zuschulden kommen lässt. Nicht so einfach, denn man darf (anders als man laienhaft denken würde) die Bedingungen nicht für den Vermieter in den Vergleich formulieren, sondern muss für die Einhaltung des Wohlverhalten den Mieter in die Pflicht nehmen. Geschieht dies nicht, müsste der Vermieter bei Verstößen während der laufenden Schonfrist nochmals ein gerichtliches Verfahren einleiten, um zu beweisen, dass der Mieter sich auch wirklich daneben benommen hat. Und das ist langwierig – und schwierig sowieso, zumal ein solches Verfahren meist länger dauert als die vereinbarte Frist für das Wohlverhalten.

Die Lösung dieses vollstreckungsrechtlichen Problems habe ich von einem sehr erfahrenen Amtsrichter beim Amtsgericht in Berlin Neukölln, der außerdem noch Vollstreckungssachen zu bearbeiten hat. Sie sieht aus wie in dem nachstehenden Muster (wobei die Fristen und sonstigen Bedingungen natürlich Verhandlungssache sind):

  1. Die beklagte Partei wird verurteilt, die von ihr innegehaltene Wohnung im Hause XYZ, bestehend aus … zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
  2. Der beklagten Partei wird eine Räumungsfrist bis zum <DATUM>1 gewährt.
  3. Soweit die beklagte Partei bis zum 3. Werktag dieses und jedes folgenden Kalendermonats die vertragliche Nutzungsentschädigung in Höhe von Euro an die klagende Partei gezahlt hat und es nicht zu erheblichen Störungen des Hausfriedens, insbesondere der Nachtruhe, durch die beklagte Partei kommt, verlängert sich die Räumungsfrist jeweils bis zum 3. Werktag des folgenden Kalendermonats, höchstens jedoch bis zum <DATUM> .2
  4. Sollte es bis zu diesem Datum nicht zu Störungen im Sinne des vorstehend Ziffer 3 gekommen sein, wird das Mietverhältnis zwischen den Parteien zu unveränderten Bedingungen ab dem folgenden Monat fortgesetzt.
  5. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.

Natürlich ist die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach Ablauf der Wohlverhaltensfrist ein Bonus. Das muss man nicht vereinbaren und wird es auch nur tun, wenn es dafür gute Gründe gibt (zum Beispiel konkret absehbar ist, dass der Mieter sich oder seine Lebensumstände oder finanziellen Verhältnisse ändert).

Andererseits habe ich mit solchen und ähnlichen Vergleichen in der Praxis auch schon erlebt, dass die notwendige Verhaltensänderung beim Mieter wirklich eintritt und danach das Mietverhältnis lange Jahre störungsfrei weiter läuft. Auf der anderen Seite erhält sich der Vermieter bei dieser Konstruktion der Vermieter den Räumungsanspruch. Wenn es zu neuen Vertragsverletzungen kommen sollte, beschränkt sich der „Schaden“ auf 6 bis 8 Wochen Zeitverlust durch Vergleichsabschluss und die erste Räumungsfrist, was in der Praxis keine große Rolle spielt.

Technisch ist das Muster des Richterkollegen sehr geschickt: Es wird davon ausgegangen, dass zunächst eine kurze Räumungsfrist von 6 bis 8 Wochen ohnehin aus sozialen Gründen erforderlich ist (schneller bekommt man ohnehin keinen Gerichtsvollzieher für die Räumung). Diese verlängert sich dann jeweils um einen Monat, wenn es zu keinen weiteren Vertragsverletzungen kommt. Dies ist normalerweise nur die Zahlung der laufenden Nutzungsentschädigung, kann aber auch sein, dass es zu keinen weiteren Störungen des Hausfriedens kommt. Der Vermieter kann also nach Ablauf der ersten Räumungsfrist jederzeit die Vollstreckung einleiten. Der Mieter müsste dann nötigenfalls im Wege der Vollstreckungsgegenklage seinerseits beweisen, dass er seinen Verpflichtungen (Zahlung und/oder sonstiges Wohlverhalten) nachgekommen ist. Zuletzt ist geregelt, dass sich das Mietverhältnis zu den unveränderten Bedingungen fortsetzt, wenn es für den genannten Zeitraum zu keinen Störungen gekommen ist.


  1. für die „einfache Räumungsfrist empfehlen sich ca. 6 Wochen ab Vergleichsschluss 

  2. wie lang die hier geregelte „Wohlverhaltensfrist“ sein darf, ist unter Fachleuten umstritten. Wesentlich mehr als 6 bis höchstens 9 Monate dürfen es nicht sein, meinen Einige, wofür es aber meines Wissens keine belastbare rechtliche Grundlage gibt. Jedoch ist eine „Wohlverhaltensfrist“ von mehr als einem Jahr sicherlich nicht praxisgerecht und auch nicht sinnvoll, weil es nicht Aufgabe eines solchen Vergleichs ist, den Mieter einseitig für alle Zeiten den Beschränkungen zu unterwerfen. 

LG Berlin – Nutzungsentschädigung durch Untermieter

Nach Kündigung des Mittelverhältnisses hat auch der gutgläubige Mitbesitzer, der nicht Partei des Mietvertrags ist, im Falle der unentgeltlichen Besitzüberlassung dem Vermieter – neben dem gemäß § 546 Abs. 1 BGB auf Nutzungsentschädigung haftenden Mieter – bis zur Räumung und Herausgabe der Mietsache gemäß § 988 BGB Wertersatz in Höhe des objektiven Mietwerts zu leisten.

LG Berlin, Urteil vom 2. Juli 2013 – 63 S4 167/12 – in WuM 2014, 95